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Torggler
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Ein Fundament für Generationen

160 JAHRE TORGGLER















Vom Spezerei-Handel zum Spezialisten für Bauchemie: Die Geschichte von Torggler ist eine Geschichte von Wandel und Beständigkeit. Geprägt von mutigen Entscheidungen, technologischer Neugier und einem starken regionalen Fundament, spannt sie sich über 160 Jahre – vom k.u.k.-Meran bis ins digital vernetzte Europa von heute.

Mit Weitblick in die Zukunft

Benno Pamer führt Torggler seit 2018 als CEO durch einen tiefgreifenden Wandel. Er hat das traditionsreiche Familienunternehmen neu ausgerichtet, auf Innovation, Nachhaltigkeit und internationale Perspektiven gesetzt. Für ihn bleibt Südtirol die Denkfabrik von Torggler – hier sind Forschung, Entwicklung und Strategie verankert.

„Im eigenen Haus muss alles stimmen“

Innovation war bei Torggler nie Nebensache, sondern Motor des Erfolgs. Seit Jahrzehnten prägen Forschung und Entwicklung die Geschichte des Unternehmens – und haben es auf internationalen Märkten konkurrenzfähig gemacht.

„Nur das Wollen alleine ist zu wenig“, beschrieb der langjährige Geschäftsführer Bernhard Johannes das Erfolgsrezept in einem Interview. „Im eigenen Haus muss alles stimmen, bevor man sich der internationalen Konkurrenz stellt. Wir bei Torggler haben zum Beispiel fünf Prozent des Umsatzes in die Forschung gesteckt und damit Erfolg gehabt.“

Also war das Investieren in die Forschung das Erfolgsrezept? „Und in das Personal“, ergänzte Bernhard Johannes. Dieser Anspruch lebt im Labor weiter – dort, wo neue Produkte getestet und zur Marktreife gebracht werden.

Die Anfänge

Als 1979 das Verwaltungsgebäude im Neuwiesenweg in Marling eröffnet wurde, war Torggler längst ein führender Baustoffhersteller Italiens. In seiner Rede blickte Firmenchef Anton Torggler auf die Anfänge zurück: Der Familienursprung lag in Labers bei Meran, später zogen die Vorfahren nach Bozen – Kaufleute und Gewerbetreibende.

Sein Uroßvater Johann Torggler betrieb am Rennweg in Meran das „Posthotel Sonne“ – ein gut besuchter Ort, als die Stadt zur internationalen Kurstadt aufstieg. Doch sein Sohn Karl schlug einen neuen Weg ein: Er eröffnete 1865 nahe dem Vinschgauer Tor eine Spezerei- und Materialwarenhandlung. In einer Zeit, in der Meran dank Eisenbahnanschluss und prominenter Gäste wie Kaiserin Sissi florierte, verkaufte er exklusive Produkte – von Kaffee bis Likör.

Karl Torggler war nicht nur Geschäftsmann, sondern auch politisch aktiv: Als Gemeinderat der Konservativen Partei setzte er sich unter anderem für den Bau der Elisabethkirche ein. Sein Geschäftssinn und Engagement legten das Fundament für eine bemerkenswerte Unternehmergeschichte.

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Jahre

Georg Torggler übernimmt die Firma

Noch vor der Jahrhundertwende zog sich Karl Torggler zunehmend zurück und übergab die Geschäfte an seinen Sohn Georg, geboren 1871. Während Karl als Kaufmann in Meran die Grundlagen gelegt hatte, öffnete Georg dem Unternehmen neue Wege. Im Jahr 1900 bewarb er die Firma als „erstes Meraner Kunstblumengeschäft“ mit einer breiten Auswahl an „Hut- und Ansteckblumen, Strauß- und anderen Schmuckfedern“. Parallel dazu erweiterte er das Sortiment im Spezerei- und Delikatessengeschäft.

Georg Torggler war nicht nur Kaufmann, sondern auch gesellschaftlich engagiert: Als „treuer Katholik“ war er Mitglied des Dritten Ordens (vermutlich der Franziskaner) und unterstützte zahlreiche soziale Einrichtungen.



Georg Torggler in der k.u.k.-Uniform um das Jahr 1915









Erster Weltkrieg als Umbruch

Gemeinsam mit seiner Frau Anna zog Georg Torggler drei Kinder groß: Karl (geb. 1901), Frieda (1903) und Anton (1904). Sohn Anton erinnerte sich später an seine Kindheit als „beschaulich“ – doch mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs kam der Umbruch. Der Fremdenverkehr kam fast vollständig zum Erliegen. Für das Unternehmen, das auch viele Hotels und Pensionen belieferte, war das ein harter Einschnitt.





Neubeginn im neuen Staat

Doch Georg Torggler hatte vorgesorgt: Schon vor dem Ersten Weltkrieg begann er mit dem Handel von Baustoffen und landwirtschaftlichen Produkten – ein Bereich, der nach Kriegsende an Bedeutung gewann. Im April 1914 trat er als Verwalter des Kalk- und Marmorwerks auf der Töll bei Meran auf, wo täglich Kalk aus weißem Marmor gebrannt wurde. Laut Anton Torggler war es sein älterer Bruder Karl, der „wesentlich dafür plädiert hatte, das Geschäft auf eine andere Basis zu stellen“ und den Baustoffhandel auszubauen.

1919 stand das Unternehmen plötzlich nicht mehr im Habsburgerreich, sondern in Italien – mit unmittelbaren wirtschaftlichen und kulturellen Folgen. Diese neue Realität zwang zur Neupositionierung und legte zugleich den Grundstein für die Fähigkeit, flexibel auf Umbrüche zu reagieren.

1925 wurde die Firma offiziell in die Handelskammer Bozen eingetragen – als Einzelfirma von Georg Torggler mit Fokus auf Baustoffe, Lebensmittel und Gemischtwaren. Schon zuvor hatte er das Sortiment stetig erweitert: Als Vertreter der Zementwerke Italcementi aus Bergamo vertrieb er in Südtirol unter anderem Portland-Zement.



Blick nach Süden

In den 1920er-Jahren wuchs das Angebot rasant: Gips, Ziegel, Betonrohre, Baukalk – aber auch Produkte für die Landwirtschaft wie Düngemittel und Schwefel. Sogar Industrieöle, Fette und Mineralöle waren Teil des Sortiments. Trotz der wirtschaftlich schwierigen 1930er-Jahre baute Torggler weiter aus: 1930 eröffnete eine neue Filiale nahe dem Batzenhäusl in Bozen mit zehn Mitarbeitenden. Südtirol allein war bald zu klein: 1936 präsentierte das Unternehmen auf der Fiera del Levante in Bari erstmals bitumenbasierte Abdichtungssysteme – Antol und Neantol. Ein früher Meilenstein in Richtung Bauchemie.



Geschäftsstelle nahe des Batzenhäusl in Bozen

Zulieferer für den Bunkerbau

In den 1930er-Jahren war Torggler am Bau der Bunkeranlagen in Südtirol beteiligt – Teil von Mussolinis „Vallo Alpino del Littorio“. Als Zulieferer lieferte das Unternehmen vor allem bitumenbasierte Abdichtungen („schwarze Produkte“), die Beton und Mauerwerk vor Feuchtigkeit schützen sollten. Trotz kriegsbedingter Einschränkungen hielt Torggler an der Weiterentwicklung seiner Produktion fest. Zwar kam es laut Anton Torggler zu einem zwischenzeitlichen Stillstand, doch das Unternehmen blieb aktiv – mit neuen Produkten und dem Ausbau bestehender Standorte.





Zweiter Weltkrieg

Georg Torggler beantragte 1942 bei den faschistischen Behörden zwei Zugabonnements – für Handelsreisende, die Kunden in Norditalien besuchen sollten. Brisant: Bei den beiden handelte es sich um Siegfried Loewy und Robert Eisenstädter, zwei Meraner jüdischer Herkunft. Laut der Historikerin Sabine Mayr wurden sie ab 1942 zur Mitarbeit zwangsverpflichtet. Ihre mangelnde Erfahrung im Außendienst wirft aber Fragen auf: Warum gerade sie? Loewy wurde 1943 nach dem deutschen Einmarsch von den Nationalsozialisten deportiert und im KZ Reichenau ermordet. Die genauen Hintergründe der Beschäftigung von Loewy und Eisenstädter sowie das Verhalten des Unternehmens in der Zeit des Nationalsozialismus bedürfen weiterer historischer Aufarbeitung. Klar ist: Das Unternehmen musste sich in einem politisch und moralisch schwierigen Umfeld behaupten.



Der Neuanfang

Nach dem Zweiten Weltkrieg lag vieles in Trümmern – auch Torgglers Büroräume in Bozen wurden 1944 durch eine Fliegerbombe zerstört. Dennoch wagten die Brüder Karl und Anton Torggler den Neuanfang. Der Vater, Georg Torggler, war 1951 verstorben, das Unternehmen lag nun in ihren Händen. Karl war der strategische und kaufmännische Kopf, Anton trieb die technologischen Entwicklungen voran. In den frühen 1950er-Jahren erkannten sie das Potenzial des italienischen Wiederaufbaus: Straßen, Tunnel, Wasserkraftwerke – die Nachfrage nach modernen Baustoffen war groß. Besonders Anton Torggler dachte über den klassischen Hochbau hinaus: Er wollte Produkte für den Tief- und Bergbau entwickeln – und legte damit den Grundstein für Torgglers Erfolg im Bereich der Bauchemie.



Anton und Karl Torggler

Neue Produkte

Bereits Ende der 1940er Jahre brachte Torggler innovative Produkte auf den Markt: Uma Rapid, ein Zusatzmittel zur schnellen Abbindung von Beton und Mörtel, wurde 1949 offiziell als Marke eingetragen. Eingesetzt wurde es an Bauten in Norditalien, aber auch in Südtirol etwa beim Bau des Wasserkraftwerks in Pfunders oder 1949 in Kastelbell, wo ein Wasserableitungstunnel entstand.

Insgesamt entwickelte Torggler ein breites Sortiment an bauchemischen Produkten: Schnellmörtel, Abdichtungen, Verflüssiger, Kleber und Schutzmittel. Zahlreiche Marken folgten: Fritol, Antol, Sitol, Neantol, Uraplast, Mastofix – Namen, die den technologischen Aufbruch der Nachkriegsjahre dokumentieren. Sie stehen für Innovationskraft und einen frühen Technologietransfer aus dem deutschen Sprachraum nach Italien.



Deutsches Know-how

Torggler war in den 1950er-Jahren technologisch oft einen Schritt voraus – auch dank gezielter Verbindungen ins deutschsprachige Ausland. Anton Torggler pflegte enge Kontakte zu Experten, die an führenden Hochschulen und Forschungszentren arbeiteten.

Ein zentraler Partner war Harald Elsner von Gronow, ein studierter Chemiker, der in den 1930er Jahren bei der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft tätig und beim Bau der Reichsautobahnen mitbeteiligt war sowie später als Berater für Zement- und Baustofffirmen arbeitete. Für Torggler entwickelte er Rezepturen, verkaufte Lizenzen und vermittelte Kontakte.

Sein Kollege im Bereich der „schwarzen Produkte“ – also bitumenbasierte Dichtstoffe – war ein gewisser von Walther, ursprünglich aus Dresden. Auch er beriet das Unternehmen über Jahre hinweg und prägte maßgeblich dessen technologische Entwicklung. Torggler wurde so zur Schnittstelle zwischen deutscher Bauchemie und italienischer Bauwirtschaft – mit nachhaltigem Erfolg.



Harald Elsner von Gronow

Große Staudammprojekte

Die 1950er waren in Italien die Zeit der großen Staudammprojekte mit Zulauftunneln und Belüftungsschächten, die ebenfalls abzudichten waren. Dazu brauchte es Dichtmittel, die nicht nur sicher, sondern auch schnell wirkten. Die eigentliche Abdichtung kam vom Zement, doch ein beschleunigender Zusatz war notwendig. „Torggler lieferte bereits kurz nach dem Krieg die ersten Luftporenbildner und Beschleuniger für den Ingenieurbau“, sagt Carlo Alberto Visani, ab den späten 1960ern der technologische Kopf von Torggler. „Es war kostengünstig, die Nachfrage groß – diese Entwicklung verdankte man vor allem Elsner von Gronow und Walther.“



Torggler habe den Spritzbeton in Italien eingeführt, so Visani. Bis dahin war der Vortrieb mühsam: Tunnel wurden ausgehoben, abgestützt und von Hand betoniert. Erst Torgglers Zusatzmittel machten es möglich, Beton pneumatisch aufzutragen, der dank spezieller Stoffe binnen Sekunden erhärtete. Die Technik des Spritzbetons – zunächst trocken, später nass – revolutionierte den Infrastrukturbau, weil Tunnelgewölbe rasch und effizient konsolidiert werden konnten.

Neuer Produktionsstandort

Ende der 1950er Jahre stand Torggler an einem Wendepunkt. Aus dem regionalen Baustoffhändler war Italiens erster Anbieter bauchemischer Produkte geworden – doch die Standorte am Rennweg und in der Meinhardstraße platzten aus allen Nähten. Karl und Anton Torggler wagten deshalb den großen Schritt: In der Verandenstraße entstand um 1960 die erste Produktionshalle, flankiert von einem eigenen Labor. Damit wurde sichtbar, wohin die Reise ging – weg vom Handel, hin zur industriellen Fertigung.

Produkte wie Neantol oder Asfredol liefen nun vom Band, während ältere Rezepturen noch in der Meinhardstraße hergestellt wurden. Als Carlo Alberto Visani 1967 erstmals das Werk betrat, war die Halle bereits voller Betrieb, daneben wuchs schon der Rohbau für eine zweite. Bald folgten Erweiterungen im Eiltempo: neue Hallen, ein Zukauf von 10.000 Quadratmetern, die Einführung der Silikonfertigung. Ende der 1980er Jahre war die Anlage längst ein moderner Industriestandort.

Bei aller Spezialisierung blieb das Unternehmen seinen Wurzeln treu: Der klassische Baustoffhandel blieb ein verlässliches Standbein. Zement, Kalk, Dämmstoffe oder Abdichtungen – das Sortiment wuchs mit den Bedürfnissen der Region. Eng verbunden mit lokalen Baufirmen, Architekt:innen und Handwerkern, erhielt Torggler Rückmeldungen direkt von der Baustelle – ein Kreislauf, der Innovation und regionale Verankerung zugleich sicherte.



Lager in Bozen



Neustart nach Karl Torgglers Tod

1965 starb Karl Torggler nach längerer Krankheit – ein schwerer Schlag für Familie und Unternehmen. Mit ihm verlor die Firma ihren strategischen Kopf, die Zukunft stand auf der Kippe. „Vielleicht wäre es einfacher gewesen, zu schließen“, erinnerte sich Anton Torggler später. „Aber wir fühlten uns verantwortlich gegenüber unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.“

Anton Torggler entschied sich für den Neuanfang. Er holte mit Rodolfo Briza einen Prokuristen ins Haus, in Bozen übernahm Johann Kiem die Leitung des Handelsbereichs. Parallel dazu wurde die Struktur neu geordnet: Das Lager zog in die Industriezone, das Unternehmen wurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.



Zwei neue Köpfe für die Zukunft

In diese Phase fielen zwei prägende Personalentscheidungen: 1966 und 1967 stießen Bernhard Johannes und Carlo Alberto Visani zu Torggler. Johannes, zuvor bei BNL, Menz & Gasser und Zuegg tätig, übernahm vorerst die Verwaltung, baute aber auch ein landesweites Vertriebsnetz auf – ein System von rivendite, Agenten und regionalen Inspektoren, das die Marke erstmals in ganz Italien sichtbar machte. „Das war eine sehr intensive Zeit, Johannes war ständig unterwegs“, erinnert sich Visani.

Visani selbst, promovierter Chemiker, trat als Laborleiter ein und wurde bald zum engen Vertrauten von Anton Torggler. Gemeinsam trieben sie die Produktentwicklung voran – von den ersten Dünnbettklebern bis hin zu Zusatzmitteln für den Tunnelbau. „Mit unseren Klebern waren wir Vorreiter“, sagt Visani. „Das war der Anfang einer völlig neuen Bauweise.“

So wuchs Torggler in wenigen Jahren aus der Krise heraus – durch kaufmännische Strukturen, ein professionelles Vertriebsnetz und technologische Innovationen.

Ein junger Carlo Alberto Visani im neuen Labor in Meran

Erfolgsprodukt für Deutschland

Während bei Staudämmen noch Flüssigadditive in Fässern verarbeitet wurden, setzte man im Tunnelbau auf das deutsche Torkret-Verfahren: Spritzbeton mit pulverförmigen Zusatzmitteln. Für Beschleuniger kam nur Silikat oder Aluminat infrage – und letzteres war in Italien nicht erhältlich. Doch Anton Torggler wollte sich bald nicht auf Lieferungen aus Deutschland verlassen. Er traf die strategische Entscheidung, das Aluminat selbst herzustellen. 1969 entstand in der Verandenstraße eine moderne Anlage: Flüssiges Aluminat wurde zerstäubt, getrocknet und als feines Pulver verkauft. Schon Anfang der 1970er verließen wöchentlich Lastzüge das Werk, allen voran für Projekte in Deutschland – etwa die Münchner U-Bahn oder Tunnels in Frankfurt und Köln.

Der große Vorteil: Torggler entwickelte ein alkaliarmes Aluminat, exakt auf die hohen Anforderungen im Tunnelbau abgestimmt. Damit verschaffte sich das Unternehmen einen entscheidenden Vorsprung und wurde über Jahrzehnte zu einem gefragten Partner. Auch beim später dominierenden Nassspritzverfahren konnte Torggler mithalten.



Strategische Partnerschaften

Bereits Ende der 1960er Jahre setzte Torggler auf Kunststoffdispersionen – flüssige Kunststoffe, die Mörtel dichter und besser verarbeitbar machten. Während solche Produkte in Italien noch kaum bekannt waren, erkannte Torggler ihr Potenzial. Gemeinsam mit BASF brachte das Unternehmen unter dem Namen Neoplast ein Zweikomponenten-System auf den Markt – eine echte Pionierleistung.

Ein besonderer Moment war die Baumesse in Bologna 1969: Torggler, damals noch ein kleines Südtiroler Unternehmen, präsentierte dort Seite an Seite mit Branchenriesen wie SIKA seine neuen Systeme. „Das war schon ein Ding“, erinnert sich Carlo Alberto Visani. Entscheidend war dabei auch die persönliche Beziehung zu BASF – ihr Entwicklungsleiter reiste eigens nach Meran, um die Fortschritte vor Ort zu sehen.

Mit den neuen Materialien erschloss Torggler wichtige Märkte: Tunnel, Straßenbauten und Bauwerke mit hohen Dichtungsanforderungen. Produkte wie Neantol oder Asfredol sicherten dem Unternehmen eine starke Position in Nord- und Mittelitalien.

Die Zusammenarbeit mit Bayer

In den 1970er-Jahren musste Torggler neue Wege gehen. Klassische Baustoffadditive verloren an Bedeutung – doch das Unternehmen erkannte früh das Potenzial der Silikone. Erste Kontakte zu Bayer führten zu einer engen Kooperation: Der Chemieriese brachte das Know-how, Torggler die Produktion und den Marktzugang.

Bernhard Johannes (Dritter von links) und Carlo Alberto Visani (Erster von rechts) mit Vertretern von Bayer

1976 begann die Eigenproduktion von Silikonen. Mit BAYER entwickelte Torggler ein neutralvernetzendes Silikon auf Benzamid-Basis – technisch stark, patentiert, exklusiv. Das Produkt „Sitol Silicon Lamiera“ traf genau den Bedarf der Zeit: Fertigbau-Hallen, Dehnungsfugen, große Bauprojekte. Bis heute zählt es zu den erfolgreichsten Produkten der Firma.

In Meran entstanden vier Mischanlagen, das Labor wurde ausgebaut. Die Kooperation brachte Torggler in die Top 5 der europäischen Silikonhersteller. Auch Polyurethan-Schäume folgten – innovative Lösungen, die bis heute in Fensterbau, Fassaden und Dämmung eingesetzt werden.

Die Zusammenarbeit mit Bayer war „latte e miele“ (Carlo Alberto Visani) – Milch und Honig. Doch Mitte der 1990er stieg Bayer aus der Silikonchemie aus. Für Torggler bedeutete das: neue Partner suchen, die Marke stärker selbst positionieren. Die Strategie blieb jedoch klar: anwendungsnahe Forschung, maßgeschneiderte Produkte, starke Qualität.

Ein neues Kapitel in Marling

Am 12. Mai 1979 verlegte Torggler seinen Sitz von Meran nach Marling. Mit der Einweihung moderner Verwaltungs-, Verkaufs- und Lagerhallen begann eine neue Phase der Expansion. Bei der Eröffnung erinnerte Anton Torggler persönlich an die Anfänge. Rund 190 Mitarbeiter:innen zählte das Unternehmen bereits – der Neubau war ein sichtbares Zeichen für Wachstum und Zukunft.

Anton Torggler

In dieser Zeit trat Bernhard Johannes stärker in den Vordergrund. Mit Erfahrung aus dem Baustoffsektor und unternehmerischem Gespür gewann er zunehmend Verantwortung. Das Verhältnis zu Anton Torggler war eng, manchmal spannungsvoll – „fast wie Vater und Sohn“, erinnert sich Bernhard Johannes Sohn Christian.

1982 starb Anton Torggler, 1986 seine Schwester Frieda. Beide blieben kinderlos. Dass Bernhard Johannes die Leitung übernahm, war kein Zufall, sondern das Ergebnis einer klar geregelten Nachfolge: Torggler wollte sein Lebenswerk in unabhängigen, regional verwurzelten Händen wissen.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor dem neuen Verwaltungssitz in Marling

Der zweite Gründer

Bernhard Johannes war ein Unternehmer der alten Schule: zahlenbewusst, streng und gleichzeitig voller Verantwortung für seine Mitarbeiter. Arbeitsplätze zu sichern war für ihn oberstes Prinzip – er verstand das Unternehmen immer auch als soziale Gemeinschaft. Forschung und Personal sah er als Schlüssel für den Erfolg.

Mit Mut und strategischem Gespür richtete er Torggler neu aus, schuf klare Strukturen (Trennung zwischen Commerz und Chimica) und öffnete den Betrieb für internationale Märkte. Gleichzeitig setzte er sich für die Wirtschaft Südtirols ein, führte den Unternehmerverband, gründete das BIC Südtirol mit und engagierte sich für Kultur – nicht für eine Elite, sondern für seine Belegschaft.

Für seine Verdienste für die Südtiroler Wirtschaft erhielt Bernhard Johannes vom damaligen Tiroler

Landeshauptmannes Wendelin Weingartner (daneben Südtirols Landesrat Bruno Hosp) das Ehrenzeichen des Landes Tirol.

„Schon Ende der 1970er-Jahre war mein Vater der Macher der Firma“, sagt sein Sohn Christian Johannes. Bis zu seinem Tod 2014 blieb er täglich im Betrieb präsent. Für viele war er nicht nur ein Lenker, sondern ein zweiter Gründer – einer, der das Unternehmen modernisierte und ihm zugleich ein menschliches Gesicht gab.

Neuer Standort in Rieti

Bernhard Johannes hielt an der Idee fest, Torggler als unabhängigen Familienbetrieb weiterzuführen. Während Verwaltung und Vertrieb in Marling konzentriert wurden, blieb die Produktion in der Verandenstraße in Meran – hier entstanden technisch anspruchsvolle Spezialprodukte wie Silikondichtstoffe und Fugenfüller.

Doch das Wachstum der Produktpalette brachte logistische Grenzen. Pulverprodukte wie Saniermörtel oder Dichtschlämme ließen sich in Norditalien noch gut vertreiben, im Süden aber stiegen die Kosten. Mitte der 1980er-Jahre suchte Torggler deshalb einen zweiten Standort – und fand ihn in Rieti (Region Latium).

Lkw in Rieti

1991 ging dort die neue Anlage in Betrieb: fünfmal größer als Meran, ausgelegt für die Massenproduktion von zementgebundenen Produkten und später auch Silikonen. Meran konzentrierte sich fortan auf spezialisierte Entwicklungen.

Rieti wurde schnell zum zweiten Standbein – und zum Symbol dafür, wie Torggler mit klaren Entscheidungen und Mut zur Expansion seine Marktposition in ganz Italien festigte.

Blick Richtung Osten

Gegen Ende der 1990er-Jahre rückte Osteuropa ins Blickfeld. Der Fall der Berliner Mauer hatte neue Märkte geöffnet – und die Konkurrenz war schnell. „Wir wussten, dass die deutschen Bauchemiekonzerne bereits in Polen aktiv waren“, erinnert sich Carlo Alberto Visani. 2000 übernahm Torggler die kleine Firma Ekor in Zgierz bei Łódź, die pulverbasierte Produkte fertigte. Schritt für Schritt begann Torggler, eigene Produkte zu integrieren und mit Unterstützung der italienischen Anlagenbaufirma Sinbianca eine moderne Produktionslinie aufzubauen.

Die Aufgabe war groß: ein neuer Markt, eine neue Kultur, neue Strukturen. Doch die Entscheidung war strategisch richtig. Polen bot gute Voraussetzungen, und die Infrastruktur in Zgierz erwies sich als ausbaufähig. „Die ersten Produktionen, die Inbetriebnahme der Anlagen – das war Neuland, aber machbar“, so Visani. Polen blieb zwar ein hart umkämpfter Markt, doch Torggler konnte sich mit pulverbasierten Baustoffen etablieren, die dort stark nachgefragt wurden.

Das Werk in Polen

Auf ins neue Jahrtausend

Um die Jahrtausendwende präsentierte sich Torggler als modernes Industrieunternehmen mit regionaler Verwurzelung und internationalem Anspruch. Was 1865 als Baustoffhandel begonnen hatte, war zu einer Gruppe gewachsen, die Innovation, Qualität und Nachhaltigkeit verband.

Das operative Herz schlug in zwei Bereichen: Produktion und Vertrieb. In Meran und Rieti entstanden Spezialmörtel, Silikone und Abdichtungssysteme – oft das Ergebnis intensiver Forschung. Parallel dazu brachte Torggler Commerz mit über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie großen Showrooms in Bozen und Marling die Produkte direkt zum Markt.

Früh setzte das Unternehmen auf Nachhaltigkeit und formulierte im Projekt „Ecoziel“ eine Umweltstrategie, die Recycling, Ressourcenschonung und internationale Standards in den Mittelpunkt stellte. Auch die Digitalisierung nahm Fahrt auf: Mit Online-Plattformen und der eigenen Website wurden technische Daten und Anwendungen erstmals digital verfügbar.

Mit der Gründung von Torggler Tekno erweiterte das Unternehmen sein Feld um Energieeffizienz und alternative Baustofflösungen. Und auch gesellschaftlich blieb Torggler sichtbar – als Sponsor von Kulturveranstaltungen und Sport, besonders im Nachwuchsbereich.

Torggler erfindet sich neu

In den 2000er-Jahren stiegen zwei neue Generationen ins Unternehmen ein: 2001 Christian Johannes, 2009 sein Sohn Tobias. Während Christian operative Verantwortung in Rieti übernahm, begann Tobias – vom Großvater bewusst so gewählt – als Praktikant im Labor.

Doch die Jahre waren von Umbrüchen geprägt: Die Finanzkrise, ein schleichender Umsatzrückgang und interne Spannungen belasteten das Unternehmen. Der Tod von Bernhard Johannes 2014 markierte einen tiefen Einschnitt und den Beginn eines klaren Führungswechsels.

Christian Johannes führte das Unternehmen fortan gemeinsam mit Tobias, später stieß auch Felix Johannes dazu. Mutige Entscheidungen folgten: Der Handelszweig Torggler Commerz wurde aufgegeben, der Standort Meran geschlossen, die Produktion neu organisiert. Mit CEO Benno Pamer erhielt das Unternehmen schließlich eine professionelle operative Leitung – und damit die Basis für einen umfassenden Neustart.

Von links: Tobias, Christian und Felix Johannes

Kurswechsel mit Rückenwind

Benno Pamer, CEO von Torggler, hat das traditionsreiche Südtiroler Unternehmen durch einen tiefgreifenden Wandel geführt. Der Kommunikationsdesigner begann im Marketing und Vertrieb, bevor er 2016 die operative Führung übernahm. Sein Ziel: Torggler fit für die Zukunft machen.

„Als ich eingestiegen bin, war Torggler noch stark von den 1980er-Jahren geprägt. Wir mussten uns neu erfinden“, sagt Pamer. Dazu gehörten harte Entscheidungen: die Trennung von der Torggler Commerz, die Schließung des Standorts Meran und die Neuausrichtung der Strategie. Wichtig war ihm, die Belegschaft mitzunehmen und eine neue Unternehmenskultur zu schaffen.

Heute versteht sich Torggler als Hersteller technischer Lösungen weit über den klassischen Bau hinaus – von Dichtstoffen für Schiffe bis zu Spezialprodukten für Fenster. Innovation und Nachhaltigkeit sind dabei Grundlagen: „Wir wollen Vorreiter sein – technologisch und beim Klimaschutz", wie Pamer auch in diesem Videointerview erläutert.





„Gehirn“ des Unternehmens

Südtirol bleibt für Benno Pamer das „Gehirn“ des Unternehmens: Forschungszentrum, Verwaltung und Steuerungszentrale. Wachstum sieht er künftig vor allem in Europa – und mit dieser Vision führt er Torggler in die Zukunft, regelmäßig auch an den Standort Rieti und das Logistikzentrum in Pegognaga bei Mantua.

Neugier und Mut

Tobias Johannes verantwortet bei Torggler Strategie und Entwicklung. Als Enkel von Bernhard Johannes, der das Unternehmen fast fünf Jahrzehnte lang prägte, kennt er die familiäre Nähe ebenso wie die Distanz, die es für Veränderungen braucht. Erste Einblicke sammelte er als Schüler im Labor, später stieg er direkt ins Unternehmen ein. Parallel gründete er ein Start-up in Finnland – eine Erfahrung, die ihm neue Sichtweisen auf Innovation und Umbruch eröffnete.

„Wir waren strategisch lange blockiert“, sagt Johannes mit Blick auf die Jahre der Finanzkrise und des Generationenwechsels. Umso wichtiger sei der Neustart gewesen: die Trennung von Handelsbereichen, Investitionen in Digitalisierung und Klimastrategien. Heute begleitet er den Wandel als Sparringpartner für das Management.

Für ihn steht Torggler für drei Werte: Neugier, Mut und Partnerschaft. Neugier, um neue Technologien früh zu erkennen; Mut, sie auszuprobieren; und Partnerschaft, um Lösungen gemeinsam zu entwickeln. „Unser Ziel ist es, technologisch führend in Europa zu sein – nicht die größte Firma, aber die Speerspitze“, sagt Johannes.

Wie lässt sich ein Unternehmen, seine Kultur und seine Werte am besten in Worte fassen? Tobias Johannes versucht im Videointerview eine Antwort – und greift dafür zu einem ungewöhnlichen Bild.

Chancen für eine nachhaltige Expansion

Seine Distanz aus Kopenhagen sieht er dabei als Vorteil: Sie schafft neue Netzwerke und Perspektiven – und hält das Unternehmen offen für Zukunftsthemen wie Digitalisierung, CO₂-Reduktion und internationale Kooperationen.

Torggler arbeitet derzeit intensiv daran, seine Position in Europa weiter zu festigen. Doch schon jetzt stellt sich die Frage, wohin sich die Märkte in Zukunft entwickeln. Tobias Johannes erklärt im Videointerview, warum er gerade außerhalb Europas Chancen für eine nachhaltige Expansion sieht.